Zum ersten Mal in der Geschichte hat RTL II mit den "News" mehr 14- bis 49-Jährige erreicht als die "Tagesschau". Das Erfolgsrezept ist simpel – und auch für alle Radiomacher, die ihre News auf diese Zielgruppe programmieren möchten, interessant. Folgender Artikel von Antje Hildebrandt stammt von welt.de.
Sie sahen so zart und
unschuldig aus. Doch sie provozierten einen Kulturschock. Welpen.
Polizisten hatten sie auf der Autobahn bei Schweinfurt im Kofferraum
eines Autos mit tschechischem Kennzeichen entdeckt. 78 Hundebabys,
zusammengepfercht wie Sardinen in der Büchse.
RTL II hielt die
Nachricht für so relevant, dass der Sender damit am 14. Juli seine
20-Uhr-"News" anteaserte. Die Bilder der tapsigen Hundebabys schafften
es auf Platz zwei, nach der Meldung vom umstrittenen Freispruch des Todesschützen George Zimmermann in den USA, aber noch vor dem Seitensprung des Formel-1-Gewinners
Sebastian Vettel: "Statt in einen Formel-1-Wagen steigt Sebastian Vettel
in eine Seifenkiste."
Das wäre nicht
weiter berichtenswert, wenn RTL II nicht wenige Tage zuvor, nämlich am
9. Juli, etwas gelungen wäre, was Feuilletonisten einen mittelschweren
Kulturschock versetzt hat. In der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen
hängte der kleine Privatsender die "Tagesschau" ab, zum ersten Mal in
seiner zwanzigjährigen Geschichte. 720.000 Zuschauer schalteten die "RTL
II News" ein, 50.000 mehr als den Platzhirsch im Ersten.
RTL II seit Jahren auf Erfolgskurs
Diese Meldung
warf ein Schlaglicht auf einen Trend, der sich schon seit zwei Jahren
abzeichnet. RTL II, im Feuilleton als Assi-TV verschrien, segelt auf
Erfolgskurs. Während die große Schwester RTL und die anderen großen
Privatsender unter Quotenschwund leiden, legt RTL II zu. Seit 2011
konnte er seinen Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen von 5,5 Prozent
auf 6,6 Prozent steigern.
Es entbehrt nicht der
Ironie, dass zu diesem Erfolg ausgerechnet zwei noch junge Formate
beigetragen haben, deren Protagonisten so aussehen, wie man sich die
Zuschauer der "RTL II News" vorstellt: Großflächig tätowiert, verbal
inkontinent und nur sekundär daran interessiert, was außerhalb ihres
Mikrokosmos zwischen Mikrowelle und Muckibude passiert. Es geht um "Berlin - Tag und Nacht" und "Köln -50667".
RTL II verkauft
diese Formate allen Ernstes als Soaps. Dabei sind es Geschichten von
Laiendarstellern, die den Alltag in fiktiven Wohngemeinschaften
simulieren. Sogenannte Scripted-Reality-Formate, also preisgünstig und
nach Drehbuch produziert.
Vorlauf macht den Erfolg aus
Diese beiden
Formate laufen direkt vor den "RTL II News", um 18 und 19 Uhr. Sie
erreichen in Spitzenzeiten bis zu 1,74 Millionen Zuschauer und
rekordverdächtige Marktanteile von bis zu 25 Prozent. Und bei RTL II
macht man keinen Hehl daraus, dass die Nachrichten vom Erfolg dieser
Sendungen profitieren. Nachrichtenchef Jürgen Ohls spricht von einem
idealen Vorlauf.
Daraus jedoch
darauf zu schließen, dass der Horizont der "News"-Konsumenten ähnlich
beschränkt sei wie der der WG-Bewohner-Darsteller, sei ein Trugschluss.
"15 Prozent der Zuschauer haben Abitur oder einen Hochschulabschluss",
heißt es in der RTL-II-Pressestelle. Das Vorurteil, dass sich die 14-
bis 49-Jährigen nicht für Politik interessieren, kann
RTL-II-Nachrichtenchef Jürgen Ohls glaubwürdig ausräumen. Die hohe
Jugendarbeitslosigkeit im Süden Europas, Proteste in der Türkei,
Bürgerkrieg in Syrien. Solche Themen seien für die jüngeren
RTL-II-Zuschauer sehr wohl relevant, versichert er. "Es funktioniert
aber besser, wenn jüngere Protagonisten zu Wort kommen."
Mit denen
könnten sich die Zuschauer identifizieren. Die interessiere nämlich zum
Beispiel mehr, wie es syrischen Jugendlichen ginge, denen eine
Scud-Rakete in den Hof geflogen sei, als die Frage, welche
Entscheidungsmuster dem syrischen Bürgerkrieg zugrunde liegen. Die, so
sagt Ohls, könne man in der Kürze der Zeit ohnehin nur anreißen.
RTL II setzt auf eine einfache Sprache
Die
"Tagesschau" und das "Heute-Journal" stehen vor derselben
Herausforderung: Wie bricht man die wichtigsten Ereignisse des Tages so
herunter, dass sie a) alle verstehen und der Zuschauer b) noch etwas
erfährt, was er nicht schon längst aus dem Internet weiß?
RTL II setzt
auf eine einfache Sprache, schnelle Schnitte, Musik als Untermalung für
bunte Beiträge und auf den Nutzwert. Jürgen Ohls sagt, wenn der deutsche
Innenminister keine neuen Erkenntnisse zu den NSA-Spähprogrammen von
seiner USA-Reise mitbringe, gebe man den Zuschauern lieber Tipps, statt
alle innenpolitischen Hustenreflexe zu kommentieren: "Wie kann man sich
im Internet unsichtbar machen?"
Nachrichten für
Junge, von Jungen gemacht. Dass die Redakteure im Schnitt Anfang bis
Mitte dreißig sind, erleichtert RTL II den Brückenschlag zu seiner
Zielgruppe. "Wir räumen mit dem Vorurteil auf, dass man graue Haare
haben muss, um Nachrichten zu machen", sagt Ohls, 52, mit Blick auf die
"Tagesschau". Die hat seit 1992 nicht nur die Hälfte ihrer Zuschauer,
sondern auch den Nachwuchs aus dem Blick verloren. Auf die besonderen
Bedürfnisse und Interessen von jungen Zuschauern geht der Platzhirsch
kaum ein.
Unterschätzt RTL II die Jugendlichen?
Doch
unterschätzt RTL II die Jugendlichen nicht, wenn der Sender den Anteil
der Nachrichten aus der Politik auf ein Drittel reduziert? Fördern die
"News" nicht die Fast-Food-Mentalität der Zuschauer, wenn sie die übrige
Sendezeit mit Promi-News, Rührgeschichten von Hundebabys und
PR-verdächtigen Clips für Platten und Kinofilme pflastern?
Jürgen Ohls
steht zu dem Konzept. Er sagt, um die 14- bis 49-Jährigen zu erreichen,
müsse man ein Netz mit einer anderen Struktur in das Meer von
Nachrichten werfen. "Da bleiben
nicht weniger, sondern andere Nachrichten hängen." Wohl wahr. Ein
MTV-Award für Britney Spears hat es noch nicht in die "Tagesschau"
geschafft. "Weltpolitisch", sagt Jürgen Ohls, "ist der nicht relevant."
Ein letzter Seitenhieb auf die "Tagesschau": "Die Lottozahlen allerdings
auch nicht."
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